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Vorwort

Regelungstechnik ist von höchster Bedeutung für moderne technische Systeme. Die Vorteile verbesserter Regelungen sind in vielen Industrien bedeutend, in manchen entscheidend: Höhere Produktqualität, reduzierter Energieverbrauch, Verringerung von Abfall- und Nebenprodukten, weniger Emissionen und größere Sicherheit.

Eine Schwierigkeit liegt allerdings darin, daß viele der Methoden und Ergebnisse der Regelungstechnik ein fundiertes Wissen fortgeschrittener Mathematik voraussetzen. Die Entwicklung einer mathematischen Systemtheorie gehört sicherlich zu den großen Errungenschaften der Wissenschaften im 20. Jahrhundert. Ihre industrielle Bedeutung wird aber entscheidend von der Größe der wirtschaftlichen Vorteile bestimmt, die sich durch ihre praktische Umsetzung ableiten lassen. Mit diesem Buch versuchen wir, ein ausgewogenes Verständnis von Analyse, Synthese, Design und Zielkonflikten zu vermitteln, welches eine grundlegende Voraussetzung für die erfolgreiche Anwendung regelungstechnischen Wissens ist.

Ein Großteil unserer Inspiration, dieses Buch zu schreiben, kommt aus den Erfahrungen der industriellen Projekte, die die Autoren durchgeführt haben. In einem typischen Projekt fanden wir uns bald in hydro- oder thermodynamischen Untersuchungen verwickelt, erlebten die negativen Auswirkungen nicht-konstanter SPS-Abtastzeiten, setzten uns mit Systemintegration und Netzwerkprotokollen auseinander, bauten Vertrauen zum Schichtpersonal und überdachten Methoden, wie man vorläufige Reglerkandidaten auf gefährlichen Anlagen sicher testen kann. Kurz, wir erlebten die tägliche Spannung, Frustration, Rückschläge und Erfolge, die bei dem kommerziellem Einsatz von Advanced Control entstehen. Es ist keine einfache Aufgabe und sie stellt zahlreiche interdisziplinäre Anforderungen. Aber es ist eine befriedigende und spannende Arbeit, welches wir auch mit diesem Buch zu vermitteln hoffen.

Das Buch ist auch als ein Beitrag zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des regeltechnischen Lehrplans gedacht, einem Thema, dem besonders in letzter Zeit viel internationale Aufmerksamkeit gewidmet wird. So ist zum Beispiel eine 'Special Section' zur Erneuerung des Lehrplans kürzlich im IEEE Control Systems Magazine erschienen.

Selbstverständlich wird ein Lehrplan nicht nur durch Bücher erneuert - es geschieht vor allem durch die beteiligten Menschen: Studenten, Professoren, Forscher, industrielle Anwender und Reviewers. Es wird auch gemeinsam vieler neu-überdachter Bücher, Laborübungen, Simulationen und webbasierender Methoden bedürfen, die von verschiedenen oder sich gegenseitig komplementierenden Ansätzen ausgehen. Wir hoffen, daß auch das vorliegende Buch einen Beitrag dazu leisten kann, den regelungstechnischen Lehrplan zu revitalisieren und das Interesse an diesem überaus wichtigen und spannenden Fachbereich zu erhalten und verstärken.

Wir betonen allerdings auch, daß dieses kein rezeptartiges 'How-To' Buch ist. Es ist eine umfassende, häufig komprimierte Darlegung der rigorosen Regelungstechnik. Durchaus benutzen wir zu diesem Zweck mathematische Methoden, um den zu regelnden Prozess zu modelieren,
seine Eigenschaften bei Rückopplung zu analysieren, einen Regler mit gewünschten Eigenschaften zu
synthetisieren und um dann schließlich zu einem Design zu gelangen, das die Begrenzungen und Zielkonflikte des konkreten Falles berücksichtigt.

Wir sind davon überzeugt, daß erfolgreiche Prozeßregelung auf der kreativen Vereinigung zweier
fundamentaler Voraussetzungen beruht. Erstens, ein gutes Verständnis des zu regelnden Prozesses und der dafür relevanten physikalischen, chemischen und anderen Prinzipien; und zweitens, ein solides Wissen fundamentaler Eigenschaften von Signalen, Systemen und Rückkopplung. Typischerweise beträgt der Beitrag des Ersteren circa 50% des Gesamtaufwandes. Es ist allerdings unmöglich, jeden denkbaren Prozeß in einem regelungstechnischen Buch zu beschreiben; schließlich
würde dieses u.a. alle Prozesse der chemischen Industrien, der Luftfahrt, der Robotik, des
Energiesektors sowie der medizinisch-technischen Anwendungen umfassen. Daher konzentriert sich das Buch notwendigerweise auf den zweiten Aspekt, nämlich auf die fundamentalen Prinzipien der
Regelungstechnik, die allen Anwendungen zugrundeliegen. Unsere Bemühungen liegen vor allem darin, das abstrahierte Wissen so darzustellen, daß es vom Leser möglichst effizient auf konkrete
Anwendungen umgesetzt werden kann. Zusätzlich enthält das Buch zahlreiche industrielle
Fallbeispiele, die die konkrete Umsetzung illustrieren.

In erster Linie beschäftigt sich das Buch mit zeitkontinuierlicher Regelungstechnik. Aber auch
digitale Regelungstechnik wird mit hinreichender Tiefe behandelt, um Computerimplementierungen
vornehmen zu können. Das Endergebnis ist ein Buch, das einen größeren Umfang als ursprünglich
geplant war, hat; es besitzt dafür aber den Vorteil der umfassenden Themenwahl. Natürlich gibt es
auch Themen, die nicht behandelt werden. Wir sind aber zuversichtlich, daß das Buch dem interessierten Leser ausreichend solide Grundlagen zum weiteren Studium zusätzlicher Litteratur bietet.

Betreffend Stil und Inhalt haben wir folgende Ziele verfolgt:

  • eine zugängliche Darstellung rigorosen Materials, das für Anwendungen relevant ist;
  • frühzeitige Hinweise auf Design, d.h., Verständnis für Begrenzungen und Zielkonflikte wecken;
  • zahlreiche industrielle Fallbeispiele;
  • zusätzliche Anschaulichkeit und Motivation durch simulations- und webbasierte Unterstützung.

Unsere Darstellung betont auch den wichtigen Unterschied zwischen Analyse, Synthese und Design.
Analyse beschäftigt sich damit, Eigenschaften wie Stabilität oder Störempfindlichkeit eines gegebenen Regelkreises zu erheben. Im Gegensatz dazu ist Synthese von folgender Fragestellung motiviert: Ausgehend von einem Prozeß und gewünschten Eigenschaften des zu erstellenden Regelkreises, wird derjenige Regler gesucht (falls überhaupt existent), der diese Eigenschaften erreicht. Design beschäftigt sich mit dem Umgang mit Zielkonflikten: welche der idealerweise
erwünschten Eigenschaften stehen in Konflikt zueinander; wie kann man die Methoden der
Synthese zum Erreichen von guten Kompromissen nutzen; und wie kann man die Güte der
Kompromisse durch Analyse verifizieren. Als Ausgangsbasis wählen wir dabei die
fundamentalen Zielkonflikte, die von jeder Anwendung und Lösung honoriert werden müssen, und leiten daraus Analyse- und Synthesemethoden ab.

Dabei verfolgen wir aber keine komplette Präsentation der mathematischen Systemtheorie,
sondern konzentrieren uns auf diejenigen Schwerpunkte, die dem Leser möglichst rasch
zur Lösung angewandter Fragen verhelfen. In diesem Sinn gehen wir auch davon aus, daß der
Leser Zugang zu modernen Softwarepaketen für numerische Berechnungen und Simulation hat,
z.B. MATLAB-SIMULINK. Auf Grund dieser Annahme konzentriert sich unsere Darstellung
auf die prinzipiellen Eigenschaften von Lösungsmethoden, anstatt auf die Werkzeuge für deren Berechnung. Jedes Kapitel enthält gelöste Beispiele, sowie Aufgaben für den Leser.

Das Buch ist in folgende 8 Teile gegliedert:

Teil I: The Elements
Diser Teil faßt elementare Konzepte für Systeme und Signale zusammen. Er würde sich entweder für einen einführenden Kurs eignen, oder als Wiederholung am Anfang eines weiterführenden Kurses.

Teil II: SISO Control Essentials
Dieser Teil enthält die Grundlagen von Single-Input-Single-Output Regelung, einschließlich klassischer PID Regelung. Zusammen beinhalten Teil I und II die Themen typischer Einführungskurse.

Teil III: SISO Control Design
Dieser Teil behandelt Design, also das Erkennen und den Umgang mit Begrenzungen und Zielkonflikten. Dieses gehört unserer Meinung nach zum Kernmaterial und sollte Studenten möglichst früh nahe gebracht werden. Das Thema von Begrenzungen in der Aktorik, aber auch Feedforward und Kaskaden, sind besonders wichtig für Anwendungen.

Teil IV: Digital Computer Control
Dieser Teil beschäftigt sich mit digitaler Regelung. Zusätzlich zum klassischen Material behandelt er auch das für Anwendungen wichtige Verhalten zwischen den digitalen Messungen (intersample Verhalten).

Teil V: Advanced SISO Control
Dieses Material könnte die Basis eines weiterführenden Kurses bilden. Er behandelt Methoden, die sich auch für die Verallgemeinerung auf Systeme mit mehreren Größen (MIMO) eignen.

Teil VI: MIMO Control Essentials
Dieser Teil behandelt die Grundlagen für MIMO Systeme. Er eignet sich als Einführung in einen ersten Kurs für multivariable Systeme.

Teil VII: MIMO Control Design
Dieser Teil enthält Ansätze und Techniken für industrielle MIMO Regelungen. Er behandelt LQ Methoden zum regeln und filtern, sowie Model Predictive Control (MPC).

Teil VIII: Advanced MIMO Control
Der letzte Teil des Buches kann entweder für Einzelstudium und Forschung genutzt werden, oder den Abschluß eines weiterführenden MIMO Kurses (bestehend aus Teilen V oder VI bis VIII) bilden.

Zwei der Autoren (Goodwin und Salgado) haben Kurse von Manuskriptversionen des Buches in Australien und Südamerika gelehrt.

Das Buch enthält zahlreiche Fallbeispiele. Sie stammen aus industriellen Projekten, die von den Autoren in Zusammenarbeit mit den beauftragenden Industrien am Centre for Integrated Dynamics and Control (CIDAC) an der University of Newcastle, Australien, durchgeführt wurden:

  • Antennenrichten für Satelliten
  • pH-Wert Regelung
  • Stranggießen in der Stahlindustrie
  • Regelung von Zuckerrohrmühlen
  • Destillation
  • Ammoniak Synthese Prozess
  • Zinkbeschichtung
  • Diverse Regelungen in Walzwerken
  • Vibrationsregelung.

Die meisten dieser Applikationen sind auch auf der Webseite des Buches als Java Applets implementiert. Wir ermutigen Leser, in diesem sehr anschaulichem virtuellen Labor zu experimentieren. Neben der intuitiven Visualisierung und Animation, bietet die Webseite auch den Vorteil, alle Applikationen im Zusammenhang sehen zu können.

Zusätzlich zu den industriellen Fallbeispielen, enthalten sowohl Buch als auch Webseite einige Laborapplikationen, wie zum Beispiel das berühmte invertierte Pendel, gekoppelte Tanks und der auf einer Platte balancierte Ball.

oder unter einem Link auf den Homepages der Autoren.

Newcastle, Australien
Valparaiso, Chile
Wien, Österreich

 

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